Loci Methode im Test: Helfen die Gedächtnispfade beim Lernen?

16.03.2022

Wie sehr hilft die Loci-Technik bei der Prüfungsvorbereitung?

Wenn griechische Politiker in der Antike eine Rede halten mussten, standen sie vor einer echten Herausforderung. Sie hatten kaum Möglichkeiten, sich Notizen zu machen. Trotzdem hielten sie teils stundenlange Reden, ohne dabei etwas auszulassen oder den Faden zu verlieren.

Wie kann das funktionieren? Das Geheimnis ist die sogenannte Loci-Methode. Das uralte Verfahren hilft dabei, sich wichtige Dinge zu merken und in der richtigen Reihenfolge wieder aufzusagen. Auch heute schwören viele Gedächtniskünstler auf das Verfahren. Und diese Leute können sich immerhin Zahlen mit weit über tausend Stellen merken.

Wenn das nicht gute Gründe sind, die Loci Methode einmal in der Praxis zu testen. Wie sehr hilft die Loci-Technik bei der Prüfungsvorbereitung?

Wie genau funktioniert die Loci-Methode?

Die Loci-Technik ist grundsätzlich relativ einfach.

Die Idee ist folgende: Man stellt sich einen Weg vor, den man regelmäßig nutzt und komplett auswendig kennt. Zum Beispiel den Weg zur Arbeit oder zum nächsten Supermarkt. Diesen Weg läuft man in Gedanken ab und sucht sich markante Punkte, an denen man Informationen „lagern“ kann. Das könnte etwa eine Kreuzung sein, eine Bushaltestelle oder der Spielplatz, an dem du immer vorbei läufst.

Im nächsten Schritt verknüpft man alle Informationen, die man sich merken will, Stück für Stück mit den ausgewählten Orten. Willst du dir beispielsweise die wichtigsten Bilanzkennzahlen merken, verknüpfst du etwa den Liquiditätsgrad mit dem Spielplatz und den Deckungsgrad mit der Bushaltestelle. Damit die Verknüpfung noch bildlicher wird, denkst du dir jedes Mal ein (möglichst verrücktes) Bild, das zu den Informationen passt.

Wie wäre es mit einer frierenden Frau an der Bushaltestelle, die sich mit einer Decke wärmt, und mit einem Thermometer misst, dass es nur 5 Grad draußen sind. Schon hast du eine Verbindung zum Deckungsgrad. Oder der Liquiditätsgrad: Liquide bedeutet flüssig, also könntest du dir vorstellen, wie ein Kind die Rutsche auf dem Spielplatz zur Wasserrutsche umbaut.

Wenn du die Informationen später wieder abrufen musst (zum Beispiel in der Prüfung), läufst du gedanklich nochmal den ausgedachten Weg und sammelst die Informationen wieder auf.

Der Anwendungsfall: Viel Stoff lernen in kurzer Zeit

Für meinen Test der Lernstrategie habe ich mir eine meiner Klausuren geschnappt und sie zum Versuchskaninchen gemacht. Das Thema: Unternehmensführung. Die Anforderung: Sehr viele Inhalte aus unterschiedlichen Bereichen auswendig lernen.

Mal sehen, wie die Loci Methode mir bei dieser Herausforderung helfen kann.

Tipps zum auswendig lernen: So habe ich die Loci Methode genutzt

Um die Lernstrategie auszuprobieren, habe ich mir im ersten Schritt ein paar Wege herausgesucht, die ich mit Informationen verknüpfen kann. Da war zum Beispiel meine Fahrt in die Bibliothek, der Weg zur Arbeit oder die Route bis zu meinem Fitnessstudio.

Anschließend habe ich mir den Stoff für die Klausur nochmal vorgenommen und versucht, Themenblöcke zu identifizieren. Später wollte ich dann für jedes Themenfeld eine eigene Route planen.

Ein kleines Beispiel:

Ich musste mir fünf Managementfunktionen merken, und zwar Planung, Koordination, Personalbereitstellung, Führung und Controlling. Auf meinem Weg sah das später so aus: Ich sitze zu Hause mit einem Fahrplan und plane meine Fahrt in die Bibliothek (Planung). Anschließend laufe ich die Treppen herunter, was ganz schön schwer zu koordinieren ist, da ich eine große Tasche mit mir herumschleppe (Koordination). Dann stehe ich mit vielen anderen Leuten an der Bushaltestelle (Personalbereitstellung) und warte, dass der Busfahrer uns zum gewünschten Ort führt (Führung). Ich steige in den Bus und wer wartet dort bereits? Der Kontrolleur, der alles im Blick hat und die Tickets kontrolliert (Controlling).

Das hat schon mal ganz gut funktioniert. Ich schreibe diesen Text einige Wochen nach der Klausur, diesen Weg habe ich immer noch im Gedächtnis.

Nach diesem Muster bin ich dann weiter vorgegangen: Neues Thema, neuer Weg. Mal waren es nur kurze Wege, teilweise recht lange. Damit ich bei all den Informationen nicht durcheinanderkomme, habe ich zusätzlich eine Liste geschrieben, welche Infos auf welchem Weg zu finden sind. Schließlich bleibt das Wissen auch bei der Loci Methode nicht sofort hängen, sondern muss regelmäßig wiederholt werden.

Die Loci Methode wird schnell zur Sackgasse

So erfolgreich der Start war, so plötzlich kamen die ersten Probleme. Schon nach kurzer Zeit fiel mir auf: Ich habe gar nicht genug Wege und Bilder, um mir all die Informationen zu merken. Immerhin hatte ich ein Skript mit mehr als 500 Seiten vor der Nase und schon nach rund 50 Seiten lief das Lernen ziemlich schleppend.

Neben der „Routenplanung“ stieß ich bald auf zwei weitere Probleme:

  • Nicht nur die Wege wurden knapp, es fiel mir genauso schwer, für jeden Inhalt ein passendes Verknüpfungsbild zu finden. Beim Beispiel mit den Bilanzkennzahlen hat es noch gut funktioniert. Aber versuch mal für Begriffe wie Tensororganisation oder das Hawthorne-Experiment ein passendes Bild zu finden…
  • Weil ich mir für jedes Thema eine Visualisierung ausgedacht und gemerkt habe, bekam ich recht schnell das Gefühl, dass ich noch viel mehr lernen muss. Nicht nur die eigentlichen Inhalte, sondern auch meine verknüpfenden Bilder. In der Theorie der Loci-Methode ist das natürlich Unsinn, aber es fühlte sich einfach nicht gut an.

Das Ergebnis des Praxistests: Ich bin schleppend vorangekommen, die Zeit bis zur Klausur wurde knapp und ich bin wieder auf andere Lerntechniken (Mindmaps etc.) umgestiegen.

Warum wird die Loci Methode eigentlich so gelobt?

Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen! Die Lerntechnik hat sich mehr als 2000 Jahre gehalten und ist bei Gedächtnisprofis fest etabliert. Dort wurde die Loci-Technik sogar zum sogenannten Gedächtnispalast erweitert. Das ist quasi die Loci-Methode für die Experten. Und bei mir funktioniert die Lernstrategie überhaupt nicht?

Recherche: Was ist schiefgelaufen?

Also habe ich mich auf die Suche nach Erklärungen begeben, mein Vorgehen nochmal bewertet und mir ausführliche Gedanken gemacht, warum mir die Loci-Technik so wenig geholfen hat. Nach einer Weile habe ich zwei wichtige Gründe gefunden:

Die Technik erfordert Ãœbung

Die Loci-Methode ist super geeignet, sich Dinge langfristig zu merken. Für den schnellen Lernkick kurz vor der Klausur ist die Lerntechnik aber nicht geeignet – zumindest nicht für Anfänger. Erst wenn ihr das Verfahren regelmäßig nutzt und verinnerlicht habt, lässt es sich auch zur kurzfristigen Prüfungsvorbereitung einsetzen.

Der Lernumfang darf nicht zu groß werden

Das beliebteste Beispiel, um die Loci-Methode zu demonstrieren, ist nicht ohne Grund der Einkaufszettel. In diesem Fall sind die Inhalte nämlich sehr überschaubar, sodass die Lerntechnik einwandfrei funktioniert.

Wenn der Lernumfang aber steigt (z.B. auf die Inhalte einer Abschlussprüfung), sieht das Ganze schon wieder anders aus. Dann passieren dir genau die Dinge, die auch mir passiert sind.

Für die anspruchsvollen Inhalte braucht es den Gedächtnispalast, den ich oben schon kurz erwähnt habe. Damit wird die Anzahl der Wege und gedanklichen Abschnitte erhöht, sodass man sich extrem viele Informationen merken kann. Das ist definitiv eine coole Sache, allerdings solltest du dabei bedenken, dass der Gedächtnispalast auch bei den Experten als Königsdisziplin gilt.

Fazit: Die Loci-Methode kann helfen, aber nicht von heute auf morgen

Auch wenn mein Selbstversuch negativ verlaufen ist, bleibe ich dabei: Die Loci-Technik und auch der Gedächtnispalast sind tolle und faszinierende Techniken zum auswendig lernen. Ich kann mir immer noch sehr gut vorstellen, wie das Verfahren hilft.

Leider muss man auch sehen: Für den Anwendungsfall „Viele Inhalte in kurzer Zeit ins Gedächtnis prügeln“ ist die Lernstrategie kaum geeignet. Erst wenn du das Verfahren eine ganze Weile eingesetzt und geübt hast, funktioniert es auch für das Lernen unter Zeitdruck. Ansonsten solltest du lieber die Finger davonlassen und auf einfachere Techniken wie Mindmaps zurückgreifen.

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